Unter Heinrich IV. wird die nach Goslar zweitälteste
Reichsvogtei in Aachen eingerichtet. Vorher wurde diese Aufgabe
durch (Pfalz)grafen wahrgenommen. Es ist ein Mittel, Königsgut und
Königsrechte vor Entfremdung zu schützen, ertragreich zu verwalten
und für politische Aufgaben einzusetzen. Außerdem ist der Vogt
Stellvertreter des Königs im Hochgericht. Diese Entwicklung
entspricht den wirtschaftlichen, verkehrsgeographischen und
gesellschaftlichen Verhältnissen des 12. und 13. Jhd. und der sich daraus ergebenden dezentralen Verwaltung. Eine
strikte Trennung zwischen zentralen und lokalen „Behörden“ gibt
es nicht.
Die Herkunft der Aachener Vögte ist strittig.
Sie bleibt einer späteren Darstellung vorbehalten. Die Aachener
Vogtei ist mindestens ab 1128 ein erbliches Reichslehen und
verbleibt bis 1272 in der gleichen Familie, trotzdem blieb
die Absetzbarkeit der Vögte erhalten. In zahlreichen Urkunden
werden sie angesprochen oder treten als Zeugen auf. Der 1128 und
1129 beim König in Worms und Duisburg auftretende
Reichsministeriale Theodericus
de Aquis (Dietrich von Aachen) eröffnet diese Reihe
erblicher Vögte, die seine direkten Nachkommen sind und im Reich
und in Italien als Helfer staufischer Reichspolitik begegnen.
Sein Sohn Wilhelm
I. von Aachen ist bei seinem ersten Erscheinen 1162 bereits
in Italien beim Kaiser in Pavia. Im
nächsten Jahr begegnet er als Graf von Sienna und ist nach einem
Aufenthalt in Deutschland 1169 beim König,
1175 wieder in Pavia und zwar diesmal als Kämmerer und Vogt von
Aachen, 1178 in Turin, 1186 und 1188 in Pavia. Bei seinem letzten
Vorkommen in Pavia als Gesandter des Kaisers vertritt er das Reich
beim Verzicht der Stadt Cremona auf die Insel Fulcherii, das Gebiet
zwischen Adda und Serio. Er besitzt umfangreiche Vollmachten vor
allem bei der Verwaltung und der Rekuperationspolitik der
lombardischen Reichsgüter. 1183 erläßt er dem Kloster Cornillon
unrechtmäßige Leistungen von seinem Besitz in Micheroux bei
Lüttich.
Wilhelm
II. amtiert als Vogt zwischen 1200 und 1225. Sein
gleichnamiger Sohn (Wilhelm
III.) ist 1215 als Kämmerer bei Kaiser Friedrich II.
Das Amt geht dann um 1227 auf seinen Bruder Heinrich,
vom dem die Schönauer abstammen, über.
Vogt Wilhelm III erscheint
zwischen 1226 und 1244 mit seinen Brüdern Heinrich und Reimar
regelmäßig in Urkunden. Ein dritter Bruder Arnold ist 1237 als
Aachener Bürger belegt. Wilhelm III ist seit 1223 kontinuierlich
bei Hofe genannt, 1223 am Hofe Kaiser Friedrich II in Capua und
anderenorts in Italien, 1225 und 1227 am Hofe Heinrichs VII in
Kaiserwerth, Sinzig und Oppenheim, 1231 in Worms. 1232 war Wilhelm
beauftragt, das Bündnis zwischen Friedrich II. und Ludwig V. von
Frankreich zu bezeugen. Zusammen mit dem Aachener Schultheißen Arnold
von Gymnich nimmt er 1230 den aus Preußen zurückkehrenden Bischof von Modena
gefangen.
Arnold
I.,
der Stammvater der Familie von Gymnich, die in Gymnich selbst, als
auch am Niederrhein und im Luxemburgischen begütert waren, gehörte
zu den niederrheinischen Ministerialen. In Aachen selbst war er nur
mit wenig Besitz ausgestattet. Zusammen mit Vogt Wilhelm III teilte
er sich den „Eilendorfer Zehnten“, was auf ihren gemeinsamen
Großvater Vogt Wilhelm I. zurückging.
1236 geht Wilhelm III in
diplomatischer Mission an den englischen Hof, ein Zeichen seines
Geschicks und des besonderen Vertrauens, das er beim Kaiser genoß.
1244 sucht er, sein Bruder Heinrich und Ritter Dietrich von Orsbach
erfolgreich um die Bestätigung des Barbarossaprivilegs vom 8.
Januar 1166 mit seiner Karlsfälschung nach. Er schließt Ende 1241
zusammen mit Aachen einen Beistandspakt mit dem Grafen von Jülich
ab, der beide Parteien zu gegenseitigem Rat und gegenseitiger Hilfe
zugunsten Kaiser Friedrich II und König Konrads IV. verpflichtet.
Aufgrund dieses Vertrages standen in den nächsten Monaten Aachener
Truppen dem Grafen von Jülich gegen Erzbischof Konrad von Köln zur
Seite.
1228 befiehlt König Heinrich
VII dem Aachener Dekan Sibodo von St. Marien – dem heutigen
Domkapitel – und dem Vogt Wilhelm III zum Schutz von St. Adalbert
von Aachen gegen den Grafen von Jülich vorzugehen. Auslöser waren
Streitigkeiten um Güter in Baesweiler. Wilhelms Verhältnis zu
Jülich ist aber bereits 1234 als Ritter von Jülich und Mitglied
des gräflichen Rates eng, was ihn freilich nicht hindert, einen
Vergleich um die Konzener Vogtei zwischen Jülich und Limburg 1238
für Walram von Limburg zu bezeugen.
Er verteidigt mit seinen Söhnen
1248 Aachen gegen Wilhelm
von Holland, der die Stadt seit Ende April belagert hatte, um
seinen Krönungseinzug zu halten und leitet auch im Oktober 1248 die
Kapitulationsverhandlungen Aachens. Er hat die Stadtverteidigung
vermutlich mit seiner Absetzung gebüßt.
Der seit
1249 nachweisbare neue Vogt Wilhelm
IV. begegnet öfter bei Wilhelm von Holland und Richard von
Cornwallis. In
einer Reihe von Urkunden amtiert er bis 1272. Graf Wilhelm IV. von Jülich
ist seit 1270 im Besitz der
Aachener Vogtei nachweisbar. Jülich wird in den unruhigen Zeiten
des Interregnums vor 1270 in den Besitz der Aachener Vogtei gelangt
sein. Dieser Anlaß könnte die Einnahme Aachens durch Wilhelm von
Holland 1248 gewesen sein. Wilhelm IV. gewinnt unter Richard von
Cornwall als Berater des Königs offensichtlich an Gewicht, ist dann
aber während Richards Abwesenheit aus Deutschland seit 1269 außerhalb
Aachens nicht mehr nachweisbar.
Johann
I von Schönforst
hatte um 1380 nochmals die Vogtei und auch die Meierei von Aachen
inne gehabt. Zu diesem Zeitpunkt löst der Graf von Jülich für
3000 sogenannte kleine Gulden das Lehen von ihm aus und vergibt es
gegen Zahlung an Carsilius von Palant, dem Schwager von Johann I.
Als letzter aus der Familie scheint Reinhard II, der Bruder von
Johann I, die Vogtei als Lehen gehabt zu haben. Er verliert es 1396
zusammen mit seiner Stammburg Schönforst, nachdem er in
kriegerische Auseinandersetzungen mit einem Mitglied der jülichen
Grafenfamilie geraten war. Dieses „Geschacher“ zeigt aber auch
deutlich, daß die ursprüngliche Bedeutung des Amtes längst nicht
mehr bestand. |